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Derzeit arbeite ich gerade an einem neuen Roman. Im Mittelpunkt dessen steht ein gravierende, brutal eingeleitete Zeitenwende im heutigen Meißner Land, der Lommatzscher Pflege und darüber hinaus. Durch diese ausgelöst erblühte eine wundervolle - lange vergessene Liebe. Von dieser muss nun endlich wieder berichte werden.

(Der noch namenlose Roman wird voraussichtlich hiermit seinen Anfang nehmen:)

Sacht fielen die ersten Schneeflocken im Januar des Jahres 929 vom Himmel. Wie diese die Erde nahe dem im Eise erstarrten Flüsschen Jahna berührten, waren sie schon blutrot. Die seit dem Christfest nach und nach hinzugekommenen und nun nahezu vollständig vom Frost einbalsamierten gefällten Leiber umhüllte der sanfte Schnee zu einem einmalig bizarren und unvergesslichen Denkmal der langsam verlöschenden Schlacht. Genau hier hatte vor zwanzig Tagen jäh das nun unvermeidliche Ende derer begonnen, die seit zwei oder drei Jahrhunderten dieses Land im Schutze ihrer Götter besiedelten. Es waren so viele Lebensläufe, Mythen und Geschichten in diesen Tagen und an diesem Ort verknüpft worden, allein zu dem Ziele, sie für immer in das namenlose Unbedachte zu stoßen. Kein Gesang und kein Bild sollte mehr von ihnen künden. Das eisigste und dazu endgültige Schweigen der Zukunft – so war von König Heinrich befohlen worden – hatte den Platz froher Lieder, bunter Feste und einer liebenswerten Sprache einzunehmen. Namen von Städtchen, von Dörfern und auch von Menschen verschwanden und tauchten gleichwohl mit neuem Klang und neuen Herren wieder auf. Für die Schwere der Schuld, welche zu sühnen die Angreifer drangen, waren noch keine Worte gefunden, nur Tränen.

Und doch – diese Erzählung soll vor allem die leise und nur beinahe vergessene Geschichte einer der größten Lieben des seit Kurzem wieder jungfräulichen Abendlandes sein. Sie wurde es, weil sie die zaghafte und gleichwohl ungestüm kühne Leidenschaft zweier darin noch unerfahrener Fürstenkinder erweckte. Dieses geschah inmitten des zu jener Zeit alltäglichen Mordens und Schlachtens im Herzen unserer Welt – dort, wo germanische und slawische Stämme nebeneinander und auch miteinander lebten.

Über all die Gräuel dieser Tage hinweg erwuchs Zuneigung, entstand Vertrauen, wurde Lust entfacht und erblühte Liebe. Die schlimmste Sklaverei und der Anblick missbrauchter, aufgerissener, vormals beseelter Körper bildeten den schrecklichen Schauplatz ihrer innigen, allein wenige Monate erlaubten und dennoch wundervoll fruchtbaren Beziehung. Aus ihr ergoss sich durch all jene, die von dieser Liebe hörten und von ihr in alle Welt berichteten, eine immerwährende Sehnsucht nach eben solch kostbaren Gefühlen vor allem in die neuen Märchen, die unauslöschlichen Geschichten und damit in den Strom der Zeit, in die Ewigkeit hinein.

Diese Liebe wäre aber gewiss nur eine winzige Randglosse eines historischen Augenaufschlags geblieben, in dem sich Sachsen und Franken, Bayern und Schwaben und sogar alle Lothringer anschickten, in ihrem neuen Reich einzurichten, wenn das kurze Glück der beiden Liebenden nicht noch viel mehr bedeutet hätte: nämlich das Fundament der Brücke, die von nun an für immer zwei Völkerscharen verbinden sollte – in Angst und Hass, in Zuneigung und Verständnis, in Bewunderung und, so war es allzu oft, in schlimmstem Leid.

Otto und Hanna lernen sich unerwartet kennen: 

Hanna legte vorsichtig Ottos Kopf zurück auf sein Lager und erhob sich.

„Oh nein, König Heinrich, so leicht bekommst du das Leben deines Sohnes nicht geschenkt. Mein Vater hat mich gesandt, um dich um Frieden zu bitten. Gewähre ihn, und dein Sohn wird leben.“

In Heinrichs Gesichtszügen rebellierte es. Erst der Erzbischof und nun sie. Was wagt diese Slawin sich! Ich sollte sie in das Lager des niederen Kriegsvolkes schicken. Die würden ihr ihren Eigensinn aus dem Leib vögeln! Nun war es Gero, der mäßigend auf Heinrich einsprach.

„Herr, lass sie es versuchen, ich flehe Euch an! Die Gebete der geistlichen Herren und die Kunst der Wundärzte brachten bisher keinen Erfolg. Bitte, mein König, ich habe das Gefühl, dass sie Otto retten kann.“

Heinrich ließ sich langsam auf einem mächtigen Eichenstuhl nieder, auf dessen Rückenlehne eine Sonnenblume gemalt und auf dessen rechter und linker Seite je ein Vögelchen kunstvoll eingeschnitzt war.

„Hör zu, Kind“, sprach er ruhig und blickte Hanna dabei tief in die Augen, „ich habe geschworen, deinen Vater für seinen Frevel zu töten. Das ist der Schwur eines Königs. Nicht einmal das Leben meines Sohnes kann mich diesen Eid brechen lassen. Ich werde aber – solltest du dein Wort halten – alle Frauen und Kinder deines Volkes verschonen und sie weiter hier leben lassen. Nimm dieses Angebot an, oder entfern dich nun von meinem Sohn.“

Hanna rannen Tränen von den Wangen.

„Herr König, was ist mit den Männern?“

„Sie werden Sklaven.“

Das Mädchen fasste sich. Vor Heinrich stand eine Fürstentochter.

„König Heinrich, alle Frauen und Kinder und alle Knaben bis zum sechzehnten Lebensjahr werden von Euch verschont und bleiben hier. Kein Mann wird mehr getötet, und ich werde Euren Sohn heilen.“

„Ja, Kind, so ist es fast richtig. Ein Mann wird aber noch sterben müssen ... Gilt unser Handel?“

Die Prinzessin verneigte sich.

„Ja, Herr.“

„Dann lasst uns nicht länger warten. Heilt den Prinzen! Sollte es dir nicht gelingen, wird kein einziger Angehöriger deines Volkes überleben.“

Heinrich erhob sich, verließ den Palazzo, bestieg sein Pferd und ritt mit seiner Leibwache zur Burg Gana; eine alte Rechnung war genau jetzt zu begleichen.

Die Schlacht wird für Heinrich erst zum Triumph, wenn er seinen Widersacher total erniedrigen kann.

Stein des TschernebogsStein des Tschernebogs

Sacht fielen noch immer Schneeflocken vom Himmel. Und wie sie die Erde nahe dem im Eise erstarrten Flüsschen Jahna berührten, waren auch diese blutrot. Die Daleminzier im Innenhof der Burg schlossen ihre Reihen und bildeten einen Kreis um ihren Fürsten und die wenigen noch verbliebenen Bogenschützen. Es war der zwanzigste Tag der Belagerung der Feste Gana.

 

Ernst stand in der vordersten Reihe der Sachsen. Als erfahrener Kämpfer wusste er, dass nun das Schlimmste bevorstand. Vorsorglich roch er noch einmal an seinem kleinen Säckchen mit Anis, getrockneter Zitronenminze, Kamille und Thymian. Zudem waren gestoßene Eichen- und Birkenrinde sowie ein paar winzige Weihrauchkristalle darin. Tief sog er die Melange in sich ein. Die Bilder, welche ihm gleich bevorstanden – die fallenden Köpfe, das pulsierend spritzende Blut, die umherfliegenden Hirnfetzen oder die sich verdrehenden Augen derer, die das Schwert durch das Herz traf, auch die Geräusche von knackenden Wirbeln an Hälsen beim Wegdreschen der Häupter oder das tönerne Brechen der Schädel im Moment ihrer Öffnung – das war nicht das Schlimmste. Die Erinnerungen daran konnte man sich wegsaufen. Das Gefühl aber, welches einen überkam, wenn man seinem Kriegskumpan die offene Ader zuhielt und dessen Körpersaft einem trotzdem durch die Finger rann ...

„Was solls; da wäscht man sich hernach eben vier Wochen nicht die Pfoten, und dieses Scheißgefühl ist vergessen“, beruhigte er sich selbst. Die Männer um Ernst wurden auf ihn aufmerksam.

„Aber der Geruch vom Kriege, die vollgepissten Hosen des Nebenmannes“, dieser glotzte ihn unwillig an, „im Moment des Angriffs, die Exkremente, die den frischen Leichen entfahren, das Erbrochene des unerfahrenen Kriegsmannes, das Sperma, welches aus den Weibern quillt, die nach der Schlacht über sind und herumgereicht werden, und vor allem der Geruch verbrannten Fleisches, welcher auf allen Schlachtfeldern allgegenwärtig ist, den bekommst du im Leben nicht mehr los.“ Ernsts Nebenmann verzog sein Gesicht.

„Halts Maul“, brummte er, und seine Zähne klapperten aufeinander.

„Versuch doch mal, wenn du noch leben solltest, im Siegesrausch eine saftig gebratene Schweinerippe zu fressen ... Vergiss es, eher kotzt du auf die Hure!“

„Hure? Wo sind hier Huren?“ Ernsts Nebenmann blickte ihn ungläubig, nun aber interessiert an.

„Schau dich doch um,“ Ernst wies mit seinem Schwert in Richtung der Daleminzier, „um am Ende zu überleben sind alle für alles zu haben. Aber glaub mir, es macht keinen Spaß. Es ist nur zum kotzen.“

Ernst sog den Geruch seines Beutels in sich hinein. Unruhig blickte er sich um.

„Wann kommt endlich das Signal zum finalen Abschlachten? Wann ist die Scheiße endlich vorbei?“

Das Beinkleid seines Nebenmannes wurde dunkler und wärmte diesen einen kurzen Augenblick lang. Unruhe von hinten. 

„Was ist da los?“

Ernst versuchte, herauszufinden, was da hinter seinen Linien passierte. Aber er musste auch die daleminzischen Bogenschützen im Auge behalten. Die sind gut. Die treffen das linke oder das rechte Auge, welches sie auch immer wollen, dachte er konzentriert. Dann wurde er zur Seite geschoben. Gero trat vor die Angreifer.

„Höre, elendiger Verräter, Frevler an König Heinrich und seinem Volk!“, so hob Gero in Richtung des daleminzischen Fürsten an, zu sprechen. Seine Stimme war laut und fest. Die Bogenschützen auf der anderen Seite des Innenhofes begannen, ihre Pfeile auf Gero auszurichten, der Fürst aber bedeutete seinen Männern mit einem Handzeichen, davon abzulassen.

Gero fuhr fort: „Mein König, der Herr über das östliche Reich Karls des Großen, der von Gott in sein Amt eingesetzt wurde, sendet dir zwei Botschaften. Die erste ist hier.“ Wieder öffneten sich die Reihen der Angreifer. Dieses Mal führte man drei daleminzische Reiter vor die Front. Einer schien schwer verletzt zu sein. Er konnte sich gerade noch auf den Beinen halten. Der zweite war definitiv tot und wurde vom dritten der Männer getragen. Die zwei fränkischen Krieger, welche die drei Männer vor die Linien geführt hatten, stießen diese in Richtung ihres Fürsten.

„Der König sendet dir Verstärkung“, lachte Gero spöttisch. Unruhe breitete sich unter den Daleminziern aus.

„Das sind doch ...! Die Götter haben uns verlassen.“

Allen im Innenkreis der Burg wurde klar, dass dies die drei Boten waren, welche sie vor zwei Nächten noch aus der Burg geschleust hatten, um Hilfe zu holen. Die verbündeten Ungarn wussten also noch nicht einmal, dass Heinrich die Daleminzier überfallen hatte. In diesem Moment starb der letzte Funke Hoffnung.

„Deine Tochter, du Verräter, der du die wilden Ungarn auf uns gehetzt hast ...“, schrie Gero dem nun aschgrauen Gesicht des Fürsten entgegen. Alles in ihm schien sich zu drehen. Gero konnte ahnen, was in ihm vorging: Lebte seine Tochter noch, oder war sie schon tot? Wie viele Sachsen, Franken, Schwaben, Bayern oder Lothringer hatten sie vorher gehabt? – Ja, das ging jetzt durch seinen Kopf. Der Sachse kostete diesen Augenblick aus, dehnte ihn, bevor er fortfuhr: „... und die du zum einzig wahren König sandtest, anstatt selbst vor ihm zu erscheinen ...“

Der Fürst verlor die Fassung. Tränen rannen über seine Wangen. Er übergab sich, fasste sich dann aber wieder und schrie zu Gero hinüber: „Sprich, was ist mit meiner Tochter?!“

Gero grinste, spuckte aus.

„Mit deiner Tochter, die mehr Mut bewiesen hat als dein ganzes Heer? – Übrigens, Verräter, sie sieht wirklich ausgenommen hübsch und so anmutig aus ...“

Der Fürst umgriff sein Schwert.

„Ich schlage dir deinen Schädel ein!“, schrie er und stürzte auf Gero los. Seine Männer hielten ihn jedoch zurück. Gero lachte.

„... sie hat den heiligen König zu folgendem Entschluss gebracht. Erstens: Alle Frauen und Kinder werden verschont und können in den Dörfern und Städten bleiben. Zweitens: Alle Männer werden in die Gefangenschaft geführt. Und drittens: – meine persönliche Lieblingsstelle – ...“, Gero ging zehn Schritte auf die Daleminzier zu, „... Erstens und Zweitens wird es nur geben, wenn du elender Verräter, du übler Landfriedenbrecher, dich lebendig auf Gnade und Ungnade in die Hände König Heinrichs begibst.“

Der Roman ist bereits im Endstadium seiner Entstehung. Verlage können sich bereits jetzt mit dem Autor in Verbindung setzen.